Monatsarchiv: April 2010

Mamma Mia!!

Dieser Blogeintrag – der erste seit einiger Zeit, aber Riad hat sich seitdem ja nicht neu erfunden – beginnt mit einem Satz, der unter die Kategorie „In 100 Phrasen um die Welt“ oder „100 Redewendungen für ein ganzes Leben“ fällt:

Irgendwann ist immer das erste Mal. Jetzt auch bei mir. Es geht um nichts Weltbewegendes, aber eigentlich schon. Das Kulturleben hier ist so öde und trocken, die Landschaft so karg und die Menschen noch nicht bereit für mich, dass ich begonnen habe (ganz natürlich und ohne Zwang) mich für Fußball zu interessieren. Die, die mich kennen denken sich nichts Groß dabei, die, die mich nicht so kennen, vielleicht schon. Wie dem auch sei, das redundante Geschwätz, die abgedroschenen Verse der Fußball-„Experten“ und Kommentatoren, die immer sich wiederholenden Probleme, Erfolge und Spannungsbögen haben mich seit dem Abstieg des Karlsruher Sport Clubs in die Tiefen der Regionalliga vor ein paar Jahren, nie groß interessiert. Jetzt aber langsam doch wieder, siehe nicht gerade verführerisch zu bezeichnendes Leben in Saudisch-Arabien. Dazu drei Situationen, die echt so geschahen. Immer lief dabei Champions League, also der anspruchsvollste aller Clubwettbewerbe weltweit. Weiterlesen

Aufs und Abs

0) Als ich mir den Titel für diesen Blogeintrag überlegt habe, hätte ich nie damit gerechnet soviel zu diesem Überthema beizutragen. Nun könnte für den kritischen Leser der ganze Artikel sogar fast zu simpel und damit auch bestimmt irgendwo trivial wirken. Aber ich versuche das – wie immer – das Beste aus meinem Leben hier zu machen.

1) Am wenigsten Auf und Ab geht es straßentechnisch in Riad, so dachte ich zumindest in den ersten Tagen, bis die Fahrten mit dem Fahrservice etwas ausgedehnt wurden, weil andere Personen in der Hierarchie des zuerst nach Hause gebracht Werdens weiter oben stehen als ich. Riad ist an sich ziemlich flach, zumindest wirkt das so im Auto, aber da wirkt auch der Uniberg in Konstanz nicht besonders schweißdrüsenanregend. (dieses letzte Wort wird mir übrigens in Microsoft Word 2007 NICHT unterkringelt!!). Wenn man aber richtig aus der Stadt rauskommt, vorbei am Checkpoint für die Zwiebellaster, vorbei an Autobahnmoscheen (an jeder steht eine!!) und sich der Wüste nähert, stellt man schnell fest, dass Riad auf einem Plateau liegt, zumindest ging es mitten durch den Berg (Bilder folgen bald) runter in karge Ebenen.

2) Dort kann man dann Quad fahren. Das ist Motorcross auf vier Rädern und steigert neben dem CO²-Ausstoß auch noch die eigenen Testosteronwerte. Nach wenigen Testminuten auf flachen Gelände, ging es dann bergauf in die Dünen, von wo aus man ein paar Kilometer sehen konnte, aber der Wind und die 400cm³ unterm Gesäß lassen daran nicht gerade sentimental werden, denn wer den Mund nicht geschlossen ließ, der mampfte rotbraunen Sand. Es machte einen Haydn-Spaß, die Sprünge (ein paar Meter weit) waren was gegen niedrigen Blutdruck, der stieg rasant, aber auch gediegenes Fahren, ohne volles Rohr geben zu müssen, war es ein echtes Erlebnis. Schließlich war es das erste Mal, seit 3 Wochen, dass ich Stadt verließ und anderes sah, außer Betonbauten in Wüstenfarben, mehrspurige Autobahnen und 200 Kruschtelgeschäfte nebeneinander… Weiterlesen

Land unter Wasser

Wer sich schon immer mal gefragt hat, wieso Vorhänge nie bis zum Boden reichen, sondern wenige Zentimeter über ihnen schweben, der dachte wahrscheinlich, dass es ausschließlich formtechnische, also designmäßige Gründe haben muss. Ich glaube, das alleine kann es nicht sein. Denn bevor die Menschheit in Kategorie wie Schön und Unschön dachte, war es vorwiegend die Nützlichkeit die das Handeln unserer Vorfahren antrieb. Stellen wir uns ein ansehnliches Anwesen im staubtrockenen Arizona zu Beginn des 20ten Jahrhunderts vor. Das Haus ist mit exotischem, aber schönen Parkett ausgestattet, die Angestellten, die zum Erhalt des Glanzes notwendig sind, bohnern singend und lachend und während sie so fröhlich bohnern und Warnschilder mit „Achtung, frisch gebohnert“ aufstellen, damit alle die ein und ausgehen sich nicht die Haxen brechen, fängt es aus heiterem Himmel an zu regnen. Hier würde man heute sagen, es schütte aus Eimern, doch plausibler ist, dass damals Betty, die gestrenge, schwarzhäutige Hausdame wohl eher ein „It‘s rainin‘ cats’n’dogs“ von sich gab, eines, das aus Staunen und vorausahnendem Wissen genährt wurde. Denn so ein Regenguss ist auf Erden mächtig und gewaltig anzusehen, es plitscht und platscht, Rinnsale werden zu Bächen und so weiter und so fort, allerdings weiß Betty aus ihrer Berufspraxis, dass das ansehnliche Anwesen aufgrund seiner geographischen Lage nicht für Regen ausgelegt ist. Das soll nicht heißen, dass es rein regnet, schließlich ist das Anwesen ansehnlich und da gehört ein gutes Dach dazu. Aber durch undichte Stellen am Fenster, die Erfindung des Silikons dauerte noch ein paar Jährchen, lief der Regen auf den Boden. Das Personal merkte das bald: „Zum Glück wurde frisch gebohnert und das Parkett kann so exotisch im ursprünglichen Sinne und nicht im Sinne von Quellschäden bleiben“, dachte Betty und sorgte recht schnell dafür, dass aufgewischt wird. Weiterlesen

Auf der Straße

Mobil sein in Riyadh ist keine Entscheidung mit großer Wahlfreiheit. Denn entweder man besitzt ein Auto oder man braucht ein Taxi. Im Falle meiner Arbeitsstätte am TTC (Technical Trainers College), einem Institut zum Heranziehen von Berufsschullehrern, haben wir so ein Mittelding. Kleinbusse, die aber wie Taxen, bloß ohne Trinkgeld, benutzt werden können. Aber sonst stößt man auf die genante Dichotomie.

Morgens zur Arbeit und meistens auch zurück, fahre ich mit einem privat angeschafften Auto, eines deutschen ca. 60 jährigen Lehrers, der auf SriLanka wohnt. Er hat sich noch nicht wirklich an den chaotischen, aber entspannten Verkehr angepasst und wird es m.E. auch nicht können. Ich versuche mich immer zu entspannen, aber sein Fahrstil macht keinen Spaß. Als er unlängst bemerkte, dass im saudischen Dialekt des Arabischen wohl keine treffliche Übersetzung für vorrausschauendes Fahren zu finden ist, pflichtete auch ihm aufrichtig bei, doch besitzt er diese wichtige Eigenschaft leider auch nicht. Es bleibt wohl meiner Phantasie überlassen, mir auszumalen, wie in richtigen Rennboliden die Pedale und die Körper der Insassen malträtiert werden. Doch fährt er sicher und es kostet nichts.

Hingegen ist das Taxifahren eine kostenintensive Angelegenheit. Natürlich weit unterhalb von deutschen Preisen, die das regelmäßige Taxifahren erst zu einer regelmäßigen Angelegenheit machen, wenn man beispielsweise einen Lufthansa-Senatorstatus und eine BahnCard100 1. Klasse besitzt. Natürlich bringt einem die Zusicherung eines exklusiven und bestimmt gemütlichen Aufenthalts am Flughafen bei Fingerfood und Pepsi nicht viel, ebenso kann das entspannte Zugfahren mit Essen am Platz nicht stattfinden, wenn man jenseits des ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) sein Domizil hat und so den nächstgelegenen Bahnhof nicht erreicht, ABER diese Beispiele sollten ja lediglich die finanzielle Liquidiät visualisieren, die eben für die Inanspruchnahme des Taxibetriebs in Mitteleuropa notwendig ist.

Verallgemeinert lässt sich sagen, dass jede Taxifahrt zwischen 4 und 6 Euro kostet. Unabhängig von der Strecke. Man verhandelt zwar im Vorfeld etwas über den Preis, aber in aller Regel fängt der eine bei 3 und der andere bei 7 an oder man lässt gleich das Procedere hinter sich und setzt sich ins Taxi, weil man wegen 50 Cent keine schlechte Stimmung während der Fahrt erzeugen will. Das symbolische Verlassen der Preisverhandlung, also die Drohung ein anderes Taxi zu nehmen hilft aber nur, wenn die Taxifahrer nicht wie ein Kartell rumstehen und den überteuerten Einheitspreis wollen. Warum das Taxameter angestellt wird, weiß ich auch nach einem knappen Dutzend Taxifahrten noch nicht, es zeigt am Ende der Fahrt einen viel zu hohen Preis an, der weder von Dienstleister noch Kunde beachtet wird. Für mich ist er aber ein Indiz wie gut der vereinbarte Preis wirklich ist. Zeigt das kleine Kästchen mit den auch in Saudi-Arabien rot erleuchteten Lettern einen 1,7 bis 2fachen Betrag des am Ende zu bezahlenden Entgelds an, ist das ein guter Proxy für meine bescheidene Verhandlungsmacht.

Die Streuung an des Fahrpreises ist gering, so auch die Qualität der Taxen, mag man vermuten. Weit gefehlt. Saubere Taxen und gemütliche besitzen die Pakistaner, schäbige und verdreckte die Saudis. Als wir letzt mit dem Privatauto eines jungen saudischen Kollegen nach Hause gebracht wurden, entschuldigte der sich mit den Worten:“Sorry for this mess, but you know I don’t have a wife!“ Daher sage ich: Vergesst das vorausschauende Fahren, implementiert doch erst einmal Emanzipation!

Von Brüdern und Flüchen (Der Text mit den vielen Üs, wie in der Türkei)

Abdo ist ein zurückhaltender aber auch humoristisch veranlagter Muslim, wie er im Korane steht. Die gleich angeführten Beispiele sind sowohl  sinnbildlich für den Islam als für das „einfache Volk“. Er besitzt ein ausgeprägtes Bewusstsein für das wenige Geld, das er erhält. Er kennt seine Verantwortung für die Familie, denn seine Mutter ist Witwe und so muss er sie finanzieren und kauft sich keine CDs wie der geneigte Leser, das von seinem Schreiberling vielleicht kennt. Auch hält er es für anständig den Schwestern Geld zu geben, denn so müssten sie nicht arbeiten. Außerhalb des Hauses würden sie sonst von anderen Männern angesprochen werden und dann…ja was dann? Darauf konnte er keine richtige Antwort geben, auch nicht auf den berechtigten Widerspruch, dass Frauen in Saudi-Arabien im Lehrer und Arztberuf alltäglich seien, aber in Firmen nicht. Doch Widersprüche gehören zum Leben wie die Milch, die sauer wird und so mag es nur auf den ersten Augenblick verwundern, dass die Gespräche über die Rolle der muslimischen Frau im 21. Jahrhundert bald zum Thema übergingen, dass Masturbation zu schnellem Frieren im und am Wasser führt („I usse my hannd, you know what I meen?“) Weiterlesen