Ich fühlte mich am vergangenen Samstag mehr wie in einer Backstube als in einem Konzertsaal. Gut, der obere Raum des Konstanzer Konzils erinnert sowieso mehr an einen wumsnormalen Mehrzweckraum, aber die Musik, die Sharon Kam machte, erinnerte viel mehr an tausend kleine und große Leckereien, die Stück für Stück zubereitet wurden. Dabei waren aber nicht so die Zutaten das besondere (ich wusste ja schon vorher, dass Webers zweites Klarinettenkonzert gespielt würde) sondern die liebevolle Ausgestaltung jeder Phrase, der Beginn und das Ende jeden Tons waren das wirkliche Highlight. Das dezent begleitende SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden tat durch seine saubere Intonierung den wachen Ohren der Abonnementbesitzer gut. Der Weber ist aber kein normales Paradestück. Wahrscheinlich weil er so schlicht, aber schmuck geschrieben ist (Weber eben) und nur am Ende des dritten Satzes mit den Tonleitern den Solisten die Möglichkeit bietet, ihre Pforten zu öffnen und dem Publikum Einblicke in das jeweilige technische Können zu gewähren, wirkte die Mozart Sinfonie (#35 aka Haffner-Moped) am Ende des zweistündigen Konzertabends wie ein richtiger Rausschmeißer: ein ganzes Orchester, das in vollen Schwung gebracht wurde, überwältigt akustisch doch mehr, als nur ein einziges Holzblasinstrument. Doch lassen sich auch noch jetzt, also drei Tage später, nicht ausreichend preisende Worte finden, um Sharon Kams Spiel zu loben. Nicht nur, dass sie durch ihre regen Augen- und Körperbewegungen mit der Zuhörerschaft mehr kommuniziert hat, als mancher Student während eines Referats, sie hielt die musikalische Spannung bis zum Schluss. Denn als das finale Rondo begann, zweifelte ich kurz an dem Verstand der Verantwortlichen auf der Bühne: „Bisher schon so unaufgeregt gespielt und jetzt auch noch so langsam diesen Satz einzuläuten…tsstss!“. Aber als klar wurde, dass das alles nur ein Bluff war, klappte mir die Kinnlade runter: Denn zum musikalischen Risiko das gesamte Konzerte durch die ganzen Schleifchen auf jeder Note zu überladen, bürdete sie sich das technische auch noch auf. Wie Glissandi wirbelten die Läufe aus ihren Fingern heraus und entzückten alle im Saal. Um bei der Teigwarenmetapher zu bleiben: Sie verpackte den Inhalt (ihre würzig-süße Musikalität) in allerdünnstes Pergamentpapier (Technik), um dem Nabel des Bodensees zu zeigen, dass neben Sabine Meyer ein zweiter weiblicher Weltstar existiert, der es verdient auch zu bedeutenderen Festivals als dem hiesigen „Bodensee-Musikfestival“ als „Artist in Residence“ vorzustehen.
Gott bin ich froh, nicht für den Südkurier schreiben zu müssen, sonst müsste ich mir noch was über Ravel und Debussy aus den Fingern saugen, die an diesem verregneten Konzertabend auch noch gespielt wurden.